Zeit lassen . . . (5)

Auszüge aus dem Roman-Fragment

Es wird dir bekannt sein, dass immer, wenn etwas zu Ende geht, gefeiert wird. Sei es nun der Schulschluss, oder das Ende eines Ferienlagers. Sei es nach der Grundausbildung beim Bundesheer, oder das „Abklettern“ nach einem Bergsommer; – gefeiert wird immer.

Nur beim Ferienlager kommt noch etwas Besonderes dazu: die Aufführung von Sketches. Früher hatte ich nie mitgespielt, aber mir dennoch manches gemerkt.

Jetzt war ich plötzlich in die Rolle des Spielleiters gedrängt. Rückblickend erinnern mich unsere Darbietungen an das Niveau sattsam bekannter Faschingsgilden.

Stell dir vor: drei Buben sitzen hintereinander auf Sesseln, die Lehne vor sich, verwegene Hüte auf dem Kopf und „reiten“ über die Bühne. Der zweite ruft dem ersten Reiter die Frage zu: „Wieviel ist eins und zwei?“ – „Drei!“, antwortet der Erste, worauf er vom Dritten „erschossen“ wird und vom „Pferd“ stürzt. Der Zweite fragt: „Warum hast du das getan?“ Worauf er die Antwort erhält: „Er wusste zuviel!“

Lustig?

Oder: Sechs Knaben schreiten hintereinander über die Bühne, der letzte mit Kopftuch und Röckchen als Mädchen verkleidet, das ununterbrochen aus einer Schüssel frisst. Der Spielleiter stellt vor: „Meine Damen und Herren, DIE LETZTE FRIST“. Lustig?

Oder: Ein als Pfarrer verkleideter Bub stellt den Schülern einige Fragen, betreffs der Bibel. Alle, bis auf die letzte Frage werden richtig beantwortet. Denn diese letzte Frage lautete: „Was ist Gott?“ Antwort: „Gott ist ein Seicherl!“ – Pfarrer: „Du wirst in der Hölle schmoren! Gott ist ein Schöpfer!“ – Antwort: „Hob i eh g’wusst, irgend so a Kuchlgschirr!“ – Lustig?

Darüber haben die Betreuer und Betreuerinnen sehr herzlich gelacht, uns aber doch halbherzig abgemahnt (das mussten sie wohl?).

Nunmehr hatte ich meinen Part zu spielen. Ein Tisch wurde auf die Bühne gestellt, ein Leintuch darüber, fertig war der Operationstisch. Darauf ein Schüler mit nacktem Oberkörper als Patient. Hinter dem Patienten, unsichtbar für das Publikum, zwei Schüsseln mit halbflüssigem Pudding (Vanille und Himbeer). Hinter dem Operationstisch stand ich im weißen Mantel mit allerhand Werkzeug wohlversehen. Ich hatte eine Magenoperation durchzuführen. In professoralem Ton erklärte ich dem erlauchten Auditorium jeden Schritt meiner Handlungen. Zuerst erfolgte die Narkose. Mit einem Hammer aus Papiermaché wurde der Ärmste auf den Kopf geschlagen. Da er es noch wagte, zu Zucken, wurde die Prozedur wiederholt. Dann schnitt ich mit einer großen Gartenschere seinen Bauch auf und wühlte in den Eingeweiden (Himbeerpudding). Mit „bluttriefenden“ Händen förderte ich ein Hufeisen zutage. Später fand ich noch rostige Nägel, ein altes Bügeleisen, verschiedene Blechteile. Immer dazu kommentierend über die seltsamen Essgewohnheiten des Patienten. Der soll sich bloß nicht wundern über seine Magenschmerzen.

Zu all dem „Himbeer“-Blut kam nun noch „Vanille“-Eiter! Meine Arme waren bis zum Ellenbogen mit Rot und Gelb verschmiert, mein weißer Mantel troff vor Unappetitlichem.

Dann weckte ich meinen „Patienten“. Gemeinsam wühlten wir in seinem Bauch (den beiden nicht sichtbaren Schüsseln), und schaufelten händeweise Blut und Eiter in uns hinein. Drei unserer jungen Zuschauer konnten Fiktion nicht von der Realität trennen und erbrachen sich qualvoll. Alle anderen haben aber mit Begeisterung mit uns mitgefressen! Dieser Sketch wird natürlich nur dann ein Erfolg, wenn der Vortrag hochdeutsch und sehr „wissenschaftlich“ aufgeführt wird.

Für mich am Schönsten war aber, dass mich meine Lieblingstante auf ihren Schoß nahm und derart abbusselte, dass ich heute noch von ihr träume . . .